Windturbinen im Wald schaden Vögeln

Vogelschlag

Betroffen sind kleine und grosse Vögel. Am höchsten ist die Gefährdung bei den Grossvögeln, etwa Rotmilane, Wanderfalken, Störche oder Kraniche, weil diese ähnlich wie Fledermäuse viele Jahre alt werden und wenige Junge haben, so dass schon ein einzelnes getötetes Tier einen grossen Verlust für die Population darstellt.

Windturbinen gefährden auch Vögel. Je nach Vogelart ist die Gefährdung unterschiedlich. Es gibt auch Arten, die nicht gefährdet sind (Bsp. Hausspatz, Kohlmeise, Zaunkönig). Relativ gut untersucht ist das Erschlagen von Vögeln durch die Rotoren, der sog. «Vogelschlag». Im Flug schauen Vögel nach unten, etwa auf der Suche nach Beute. So nehmen Sie die von oben heranrasenden Rotoren nicht wahr. Dazu kommt dass die Rotorspitzen Geschwindigkeiten von bis zu 390 km/h haben. So schnell kann kein Vogel reagieren.

In der Schweiz leben 205 Brutvogelarten. Zudem queren im Frühling, Sommer und Herbst Hundertausende von Zugvögeln unser Land auf der Reise zwischen dem Brut- und Überwinterungsgebiet.

Von den Brutvögeln sind gegen 60% der Arten gefährdet oder potentiell gefährdet (sprich: nahe an der Gefährdung; nachstehende Figur: Vogelwarte):

Wenn in einem Gebiet seltene oder besonders schlaggefährdete Vogelarten wie Steinadler, Bartgeier, Wanderfalke, Baumfalke, Rotmilane oder Störche vorkommen, stellen schon einzelne Windparks ein grosses Risiko dar. Bei diesen Vogelarten sind die Gefahren für die Population kaum geringer als bei Fledermäusen. Bei Kleinvögeln, die häufig sind und sich rasch vermehren, sind die Gefahren zwar geringer. Allerdings haben die Bestände der Kleinvögel über die letzten 100 Jahre generell stark abgenommen (nicht wegen Windturbinen, sondern wegen der intensiven Landwirtschaft).

Steinadler, erschlagen im November 2021 durch die Windturbine Nr. 4 auf dem Mont Crosin (Kt. Jura)

Im Gesamtzusammenhang muss auch das kumulative Risiko beachtet werden, das entsteht, wenn hunderte oder tausende von Windrädern in der Schweiz aufgestellt würden. Dies gilt namentlich auch für die migrierenden Vögel, welche die Schweiz im Frühling, Sommer und Herbst durchwandern. Diese sind zudem der Vogelschlaggefahr im Ausland ausgesetzt, namentlich in Deutschland, wo vor allem im Norden viele 1’000 Turbinen drehen.

Rotmilan, Charaktervogel des Kantons Zürich – wie lange noch?

Vor allem im Schweizer Mittelland lebt heute eine weltweit einmalige Population des Rotmilans mit rund 3’500 Brutpaaren. Das war nicht immer so. 1990 waren es noch wenige Hundert. In unseren Nachbarländern ist der Rotmilan dagegen selten. In ganz Österreich etwa leben nur gerade 100 Paare des Rotmilans (in Oberösterreich). Dies hat möglicherweise damit zu tun, dass die illegale Jagd und das Ausbringen von Mäusegift in der Schweizer Landwirtschaft eher selten ist.

Der Rotmilan ist einer der Vögel, die durch Windturbinen gehäuft erschlagen werden. Würden im Schweizer Mittelland hunderte oder tausende von Windrädern erstellt, wäre dies eine ernst zu nehmende Bedrohung für den Gesamtbestand.

Der Schweizer Brutbestand ist gemäss Vogelwarte zunehmend von internationaler Bedeutung, denn in vielen Regionen Europas sind die Vorkommen des Rotmilans rückläufig. Ob dies auf Windturbinen zurückgeht oder andere Gründe hat, darüber wird gestritten. In deutschen Gebieten mit vielen Windturbinen ist ein solcher Zusammenhang aber gut belegt (vgl. Katzenberger et al, in: Publikationen). Der europäische Gesamtbestand wird auf nur 20’000 bis 25’000 Brutpaare geschätzt. Damit beherbergt die Schweiz (mit 3’500 Brutpaaren) rund 15 % des globalen Rotmilanbestandes und hat eine grosse Verantwortung für die Erhaltung dieser wundervollen Vögel.

Charaktervogel des Kantons Zürich – wie lange noch?

Felduntersuchungen zum Vogelschlag in der Schweiz

Obwohl es in der Schweiz schon einige Windpärke gibt, wurden bislang nur wenige Untersuchungen zu den Vogelschlägen durchgeführt. Der Grund liegt darin, dass dies von den Behörden bislang nicht verlangt wurde und aufwändig ist, weil geschulte Fachkräfte jährlich während vielen Wochen das Gelände um die Turbinen absuchen müssen. Die Investoren stellen solche Untersuchungen aus naheliegenden Gründen nicht selbst an.

 

Im Wald sind solche Suchaktionen allerdings praktisch unmöglich wegen des unübersichtlichen Geländes, weil getötete Vögel in den Baumkronen hängen bleiben können oder besonders rasch von Raubtieren, namentlich Füchsen, gefressen werden.

Vogelschlag im Windpark Peuchapatte

Die erste Felduntersuchung fand 2015 im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE) beim Windpark Pauchapatte mit drei Turbinen (Radius: 41 m) statt. Es wurde Tötungswerte von 14 – 30 (Medianwert 21) erschlagenen Vögeln pro Turbine und Jahr ermittelt. Hochgerechnet auf moderne Turbinen mit 80 m Radius (3.8fache Rotorfläche) sind es rund 80 getötete Vögel pro Turbine und Jahr (Medianwert).

Niemand kann behaupten, dass dies für die Artenvielfalt, namentlich für Grossvögel und bereits gefährdete kleinere Vögel, irrelevant ist. Man stelle sich vor, die nunmehr geplanten 760 Turbinen in der Schweiz, würden tatsächlich erstellt. Dann muss mit 62’000 getöteten Vögeln pro Jahr gerechnet werden (80 x 760 = 61’800).

Zwar könnten die Betreiber die Turbinen während der Zeit starker Vogelaktivität (Frühlingszug: März bis Mai; Herbstzug: Juni bis November; Brut- und Jungenaufzuchtzeit: März bis August) ausschalten. Zumindest während des Vogelzugs müsste dies aber auch in der Nacht erfolgen, weil viele Vögel in der Nacht ziehen. So würden «nur» die in der Schweiz überwinternden Vögel betroffen und die Verluste wären (vielleicht?) verkraftbar. Zu solchen Einschränkungen, die rund 40 % Produktionsverlust bewirkten, gibt selbstverständlich kein Windparkinvestor sein Einverständnis.

Die meisten Investoren werden von Kantonen kontrolliert, die zugleich über die Abschaltmassnahmen entscheiden. Die Kantone stehen in einem schweren Interessenkonflikt und die Governanz ist schlecht.

Zwei Pirole, Juwelen der Vogelwelt, wurden im Windpark Gotthard von Turbinen zerfetzt. Nebst 85 weiteren Vögeln (gefunden Juni 2022).

Vogelschlag im Windpark Gotthard: hoher Blutzoll

Die zweite Untersuchung fand 2022 im Windpark Gotthard mit 5 Turbinen (Radius: 46 m) statt. Obwohl diese nur zwei Tage dauerte (15. und 22. Juni 2022), weil die Betreiber keine systematischen Kontrollen durchführen, zeigte sich, dass das Ausmass des Vogelschlages furchtbar hoch ist.

Es wurden 86 erschlagene Vögel gefunden. Darunter auch seltene Arten wie der stark gefährdete Waldlaubsänger, die Wachtel und die Schafstelze. Auch zwei Exemplare des wunderbar goldenen Pirols, der uns im Frühling mit seinem melodischen Pfiff verblüfft, mussten ihr Leben lassen.

Obwohl das Vogelsterben im Windpark Gotthard nun seit längerem bekannt ist, kümmert das scheinbar weder die Investoren noch Behörden. Solche hohen Schlagopferzahlen sprechen (ebenfalls) gegen jegliche Windturbinen, die nicht während der Zeit der Vogelaktivität, also eines grossen Teils des Jahres, ausgeschaltet werden.

Wie erwähnt ist dies für Windparkinvestoren und die sie kontrollierenden Kantone aber inakzeptabel und das Problem auf diese Weise unlösbar. Nur der Verzicht auf Turbinen, wenigstens im Wald, kann helfen.

Auch neun Grauschnäpper mussten ihr zartes Leben für die menschliche Stromversorgung hergeben.

Lebensraumverlust

Noch wenig erforscht ist die ökologische Verschlechterung des Lebensraums von Waldvögeln durch Waldrodungen für Windparks, Lärm, Bewegung oder Tötung von Insekten (Nahrungsgrundlage für viele Vögel) an den Turbinen. Nach dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) werden allein in Deutschland (Ausbaustand Windenergie 2019) jährlich Milliarden von Fluginsekten (Fliegen bis 2’000 m Höhe) von Windturbinen getötet. Der totale Verlust beläuft sich auf 1’200 Tonnen pro Jahr. Die getöteten Insekten werden dem Reproduktionsprozess der Insektenpopulation sowie auch der gesamten nachfolgenden Nahrungskette entzogen. Dieses Risiko wurde nie geprüft, bevor Deutschland massiv in die Windenergie eingestiegen ist. Auch in der Schweiz wurden dazu nie Überlegungen angestellt, schon gar nicht von Bewilligungsbehörden.

Die Insektenpopulationen würden die Ausdünnung durch Windenergieanlegen möglicherweise aushalten, wenn ihnen nicht andere Faktoren wie Lebensraumverlust und Pestizide entgegenwirkten. Diese haben wohl einen grösseren Einfluss, aber die Verluste durch die Windenergie kommen nun einfach noch dazu!

Fazit

Windturbinen im Wald sind für Vögel eine grössere Gefahr als im offenen Land, weil in bewaldeten Gebieten meist eine grössere Aktivität von seltenen oder schlaggefährdeten Vogelarten besteht als in grossen, ausgeräumten Kultur- oder Siedlungslandschaften. Auch der Rotmilan legt sein Nest meist im Wald an und führt Flüge über Waldgebiet aus.

Deshalb findet die Naturwaldstiftung, dass Windturbinen zumindest in Wäldern und am Waldrand fehl am Platz sind.

Bilder von Vögeln (ausser Steinadler) : Rolf Kunz, Studio für Naturfotografie