Windturbinen im Wald schaden Fledermäusen

Fledermäuse sind faszinierende Hochleistungs-Tiere. Sie existieren seit 50 Mio. Jahren. Demgegenüber entstand der Mensch (Homo erectus) gerade einmal vor 2 Mio. Jahren.

Es gibt drei Gruppen von Fledermäusen:

Im Wald vorkommende, meist eher tieffliegende Arten («Waldfledermäuse»), die ausnahmsweise auch bis zum Kronendach gelangen.

Hoch fliegende Arten, die sich primär im offen Luftraum aufhalten, dort wo es viele Insekten hat.

Arten, die in der halboffenen Landschaft jagen, oft und gerne entlang von Strukturen wie Waldrändern und Hecken.

Dreiteilige Gefahr

Untersuchungen bestätigen je länger je mehr: Windturbinen und insbesondere solche im Wald stellen eine enorme Gefährdung für Fledermäuse dar. Die Gefahr ist dreiteilig:

Erstens entsteht sie durch die drehenden Rotoren der Turbinen, von denen hochfliegende Fledermausarten auf ihren «Höhenflügen» erschlagen werden oder in deren Nähe sie ein Barotrauma erleiden. Bis zu 90 % der von Windturbinen getöteten Fledermäuse sterben an einem Barotrauma. Die anderen werden erschlagen. Das Barotrauma entsteht durch explosionsartige Druckunterschiede in der Nähe der vorbei rasenden Rotoren. Dabei platzen die Lungen. Viele Tiere sind nicht sofort tot, sondern sterben langsam und qualvoll. Im Vergleich zu Fledermäusen sind Vögel weniger anfällig für ein Barotrauma.

Zweitens werden Waldfledermäuse geschädigt, obwohl diese unter den Baumwipfeln leben und nicht in die Höhe zu den gefährlichen Rotorklingen fliegen. Forschende in Deutschland und Finnland haben bei vielen Dutzend Windpärken ermittelt, dass Windturbinen bis in eine Distanz von 450 Metern zum Mast (Studie Finnland sogar 800 m) Waldfledermäuse vertreiben, vermutlich durch Lärm und Infraschall. So beträgt die Flugaktivität in 80 m Distanz nur noch 50 %. Schon eine einzige Turbine verschlechtert damit 64 Hektar Waldlebensraum (450 m x 450 m x π = 63’600 m2 = 63.6 Hektaren). Dazu kommt die Rodungsfläche von rund 8’000 m2 (0.8 ha) pro Turbine (ca. ein Fussballfeld).

Drittens werden Fledermäuse geschädigt, wenn für den Bau von Windturbinen Bäume mit Höhlen oder Spalten gefällt werden, in denen die Fledermausweibchen ihre Jungtiere gebären und aufziehen.

Dieses Bild zeigt die gefährdete Zweifarbfledermaus. Sie fliegt regelmässig 80 m über dem Boden und oft auch höher. Dort wird sie von den rasenden Rotoren der Windturbinen erschlagen oder erleidet ein Barotrauma.

Die Gefährdung der Populationen ist für Fledermäuse grösser als für viele Vogelarten, weil Fledermäuse eine hohe Lebenserwartung von 20 oder mehr Jahren haben und ein Fledermausweibchen höchstens ein Junges pro Jahr aufzieht. Stirbt auch nur eine Eltern-Fledermaus in einer Turbine (besonders gravierend ist der Tod von Weibchen) hat dies eine grosse negative Hebelwirkung auf die Populationsentwicklung in der Zukunft.

Gefährdet sind nicht nur Fledermäuse, die von Frühling (ab März) bis Herbst (November) bei uns leben und sich hier fortpflanzen, sondern auch migrierende Fledermäuse aus anderen Gebieten während des Fluges ins Winterquartier und zurück.

Besonders schlimm macht das Problem, dass ein grosser Teil unserer Fledermäuse bereits gefährdet oder vom Aussterben bedroht ist. Die folgende Tabelle zeigt dies für die im Kanton Zürich vorkommenden Arten. Zudem hat die Schweiz als Staatswesen bei über der Hälfte der Fledermausarten eine hohe bis sehr hohe internationale Verantwortung zum dauerhaften Schutz (siehe Tabelle: V = 1 oder 2). Die angegebenen Flughöhen stammen aus diversen Untersuchungen, sind aber noch ungenügend erforscht und mit Unsicherheiten behaftet. Ein Teil der Flüge kann höher gehen, als angegeben. So fliegen etwa Grosse Abendsegler regelmässig über 200 Metern über dem Boden. Mindestens 50% der Arten im Kanton Zürich sind kollisions- und Barotrauma gefährdet.

Das Braune Langohr ist eine gefährdete Waldfledermaus. Sie leidet unter der Lebensraumzerstörung durch Windturbinen (Waldvernichtung und Lärm).

Gefährdung 1: Höhenflüge werden zu Todesmissionen

Fledermäuse sind zwar hervorragende Flugkünstler. Sie können aber Rotoren von Windturbinen nicht erkennen, weil diese quer zum Körper drehen (bis 400 kmh), wo Fledermäuse kein (Ultraschall-)Sichtfeld haben. So ist es dem Zufall überlassen, ob sie beim Durchflug von einem drehenden Rotor erfasst werden. Das Risiko wird noch erhöht dadurch, dass gewisse Fledermäuse von Windturbinen wie magisch angezogen werden. Seltsamerweise, man weiss nicht warum, sind es vor allem Weibchen und Jungtiere, die gerne um den Turm herum in die Höhe zu den Rotoren fliegen. Die Tötung von Weibchen und (weiblichen) Jungtieren ist für die Population schädlicher, als wenn es die Männchen träfe, weil sich ein Männchen mit mehreren Weibchen paaren kann und bei einem Verlust von männlichen Tieren die Fortpflanzung noch einige Zeit gesichert ist.

Europaweit nimmt der Grosse Abendsegler derzeit im Bestand ab. Es gibt aus Deutschland Hinweise, dass auch die Rauhautfledermaus im Bestand abnimmt*. Der Zusammenhang mit den Windturbinen liegt auf der Hand. Aber nicht einmal Deutschland mit seinen Abertausenden Windturbinen hat dazu systematische Untersuchungen angestellt.

*H. König et al, Zum Rückgang der Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii Keyserling & Blasius, 1839) in einem Durchzugsgebiet am Nördlichen Oberrhein (Bundesrepublik Deutschland, Rheinland-Pfalz). Fauna Flora Rheinland-Pfalz. 2016, S. 367–376.

Etwa ein Drittel der Arten fliegt hoch in die Luft

Etwa ein Drittel der schweizerischen Fledermausarten fliegt hoch in die Luft. Dazu gehören der Grosse Abendsegler, der Kleinabendsegler, die Rauhautfledermaus, die Nordfledermaus, die Zweifarbenfledermaus und Zwergfledermaus*. Schon auf zwei- oder dreihundert Metern über dem Boden wurden Fledermäuse angetroffen.

Überraschenderweise sind es aber nicht nur diese Arten des freien Luftraums, sondern auch an Gehölzstrukturen gebundene Arten wie Bartfledermäuse, Langohren oder Mausohren, die gelegentlich Opfer der Turbinen werden (a.a.O.), möglicherweise während der Migration.

* Dietz / Kiefer, Die Fledermäuse Europas, Haigerloch und Dünfus 2014, S. 30.

Relative Dichte von Fledermäusen vom Boden in die Höhe (Abendsegler): Auch wenn die durchschnittliche Flughöhe tiefer ist, als die unteren Rotorspitzen, erfolgen immer wieder Flüge in die Höhe. Ein Flug in den Rotor führt oft zum Tod.

Wie bei den Vögeln gibt es bei den Fledermäusen solche, die in der kalten Jahreszeit in den Süden ziehen. So wandern etwa der Grosse Abendsegler viele hundert und die Rauhautfledermaus mehre hundert Kilometer zwischen dem Sommer und Winterquartier. Andere bleiben in der Nähe (Bsp. Wanderung Grosses Mausohr nur 50 bis 100 Kilometer) und verbringen den Winter in einer Höhle, einem Felsspalt, alten Keller oder Schacht. Trotz verschiedener Forschungsarbeiten ist zur Fledermausmigration wenig bekannt. Dies betrifft insbesondere auch die kumulative Gefährdung von migrierenden Fledermäusen durch die Abertausenden von Windturbinen, die bereits in Deutschland und den umliegenden Ländern stehen. Die Anlagen wurden gebaut, ohne dass vorher das Risiko ermittelt wurde.

Ein Beispiel aus der Schweiz

In der Gemeinde Le Peuchapatte im Schweizer Jura besteht ein Windpark mit drei Rädern von 41 m Radius. Das Bundesamt für Energie liess 2017 untersuchen, wie viele Fledermäuse sterben. Pro Windturbine und Jahr wurden 10 – 36 tote Fledermäuse ermittelt. Und dies, obwohl in Le Peuchapatte nur eine äusserst geringe Fledermausaktivität von 3 – 4 Durchflügen pro Nacht und Turbine gemessen wurde.

Insbesondere in Waldgebieten, wo nun Hunderte (Bsp. Kanton ZH: 126) und Tausende von Turbinen geplant sind, sind die Fledermausaktivitäten um ein Vielfaches grösser. Moderne Turbinen haben zudem einen Radius von 70 m und damit eine dreimal grössere Todeszone (= Rotorfläche) für Fledermäuse als die Anlagen in Le Peuchapatte (41 m Radius). Damit muss bei den geplanten Turbinen, insbesondere im Wald mit einem Vielfachen an getöteten Fledermäuse gerechnet werden, wie sie in Le Peuchapatte beobachtet wurden.

Selbst bei häufigen Arten wie dem Kleinen Abendsegler führt schon der Verlust von nur einem zusätzlichen Tier pro Jahr (über die natürliche Sterblichkeit hinaus) zu einem Rückgang der lokalen Population und zum allmählichen Aussterben.

Fledermäuse bevölkern die Erde sei 50 Millionen Jahren. Insbesondere den hoch fliegenden Arten droht mit den 10’000enden industriellen Windturbinen in Europa das allmähliche Ende ihrer Existenz.

Die Zwergfledermaus wiegt nur 5 Gramm. Obwohl die Forschung der Ansicht ist, Zwergfledermäuse würden weitgehend vor Ort überwintern, wurde ein männliches Tier aus Lettland 2’224 Kilometer entfernt in Spanien gefunden. Dieses Zwergfledermaus-Kerlchen hält damit den Rekord beim Migrationsflug.

Barotrauma: Höllenqual für unschuldige Tiere

Bis zu 90% der Fledermäuse sterben an Windturbinen, bevor sie überhaupt mit einem Rotorblatt zusammenstossen an einem sogenannten Barotrauma. Die übrigen Todesfälle gehen auf eine direkte Kollision mit den Rotoren zurück. Ein Barotrauma entsteht durch rasche Druckunterschiede an den Rotoren. Dabei platzen die Lungen. Die Tiere verbluten innerlich. Je nach Betroffenheit können sie noch Stunden oder Tage leben und leiden, weil das Blut in der Bauchhöhle zurückgehalten wird (medizinisch: Aneurysma im Retroperitonealraum). Das Tierleid ist enorm. Es ist nicht nur ein Biodiversitätsthema, sondern auch ein tierethisches Problem. Wir verzichten darauf, hier Fotos zu diesem Thema zu zeigen.

Der Luftraum, in dem Windturbinen Barotrauma verursachende Druckunterschiede bewirken, beschränkt sich nicht auf den Raum unmittelbar hinter und vor der Rotorfläche. Auf der Abströmseite der Rotoren treten bis in mehrere Hundert Meter Wirbel auf. Wie gross die Todeszonen für Fledermäuse tatsächlich sind, ist wie so vieles, nicht erforscht.

Gefährdung 2: Eine einzige Windturbine beschädigt 63 Hektaren Waldlebensraum für Waldfledermäuse

Rund 2/3 der heimischen Fledermausarten sind für den Nahrungserwerb oder die Jungenaufzucht an Wälder gebunden. Zu diesen sog. Waldfledermäusen gehören etwa das Grosse Mausohr, die Langohrfledermäuse, die Bechsteinfledermaus und die Breitflügelfledermaus (Dietz / Kiefer, Die Fledermäuse Europas, Haigerloch und Dünfus 2014, S. 23.).

Der renommierte Fledermausforscher Christian Voigt (Leipniz Institut in Berlin) untersuchte mit seinem Team an 24 Waldstandorten in Deutschland die Aktivität von Fledermäusen in verschiedenen Abständen zu Windturbinen mit Hilfe von Ultraschalldetektoren. Die ForscherInnen stellten fest, dass im Wald jagende Waldfledermäuse bis auf eine Distanz von 450 Metern ab dem Turbinenmast weniger Flugaktivität hatten (bei 80 m: 50 %). Vermutlich werden die Fledermäuse durch den Lärm der Rotoren vertrieben. Eine Untersuchung aus Finnland hat für Mausohren sogar eine Vertreibungswirkung bis 800 Meter von der Turbine festgestellt. Schon eine einzige Turbine verschlechtert damit mindestens 63 Hektar Waldlebensraum (450 m x 450 m x 3,14 = 63’500 m2).

Fledermausforscher Prof. Christian Voigt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung: «Wir stellten fest, dass diese Waldspezialisten in der Nähe von Windkraftanlagen deutlich weniger aktiv sind, insbesondere in der Nähe von Turbinen mit grossen Rotoren, sowie in den Hochsommermonaten. Ab einer Entfernung von 450 Metern nimmt die Aktivität dieser Fledermäuse in Richtung der Anlagen um fast 50 Prozent ab.»

Das Grosse Mausohr hat seine Wochenstuben meist in Dachstöcken von Gebäuden. Es jagt jedoch meist im Wald und leidet unter der Lebensraumdegradierung durch Windturbinen. Gelegentlich fliegt es auch in die Höhe zu den Rotoren. Foto: Dietmar Nill

Gefährdung 3: Zerstörung von Höhlenbäumen und anderen Verstecken

Viele Fledermäuse wie das gefährdete Braune Langohr oder die seltene Mops-Fledermaus sind auf Strukturen an Bäumen angewiesen, wo sie sich verstecken oder ihre Jungen grossziehen können. Fledermausmütter ziehen mit ihren Jungen alle paar Tage oder Wochen um und brauchen mehrere solche Baumstrukturen.

Durch die grossflächigen Rodungen für die Turbinen und Erschliessungsstrassen von ca. 1 Hektare (10’000 m2) pro Anlage gehen Verstecke verloren. Da solche Verstecke im Wald oft Mangelware sind, führt auch dies zu einer Lebensraumverschlechterung für Fledermäuse. Vermutlich schlimmer (da grossflächiger) ist aber der Lebensraumverlust durch Lärm und Infraschall (oben).

Artenschutzabkommen Eurobats

In den Richtlinien zum internationalen Artenschutzabkommen Eurobats, dem auch die Schweiz beigetreten ist, wird ausdrücklich von Windturbinenstandorten im Wald und in der Nähe des Waldes abgeraten (übersetzt aus dem Englischen): „Das Aufstellen von Windkraftanlagen in Wäldern ist für Fledermäuse sehr gefährlich und wird daher in den vorliegenden Richtlinien nicht empfohlen und kritisiert.“

Fazit

Windturbinen im Wald führen zum allmählichen Aussterben hochfliegender Fledermäuse und zu einer grossen Lebensraumbeschädigung für Waldfledermäuse. Sie verursachen zudem grosses Tierleid. Deshalb finden wir, Windturbinen haben zumindest in Wäldern und am Waldrand nichts zu suchen.

Fledermausfotos: Dietmar Nill